Südamerika – Ecuador

Mit Kind und Kegel in die Tropen

Michael Kneissler, Gastautor dieses Artikels, lebt jetzt mit seiner Frau und seinem Sohn in Ecuador. Michael kenne ich noch vom Studium in den 1980er- Jahren in München, damals hat auch Giovanni di Lorenzo mit uns studiert. Da kann man mal sehen, was aus uns geworden ist. Früher war Michael mein schreibendes Vorbild, deshalb ehrt es mich, dass er aus der Ferne für »Reisen heilt!« über seine Herausforderungen und neuen Erfahrungen so freizügig berichtet. Vielen Dank, Michael! Genieße die Tropen, wir träumen jetzt schon mal davon…


 Servus Bayern, hola Ecuador!  

„Und plötzlich sind alle pumperlgesund“

Michael und Ouarda mit Sohn Yiliyen.

Meine Frau Ouarda hat Heuschnupfen und reagiert stark auf Insektenstiche. Außerdem schmerzt ihre linke Schulter seit einem Unfall. Mein Sohn Yiliyen hat gar nichts, aber der ist auch noch sehr jung (10) und ich bin zu alt für Zipperlein (61).

Das mal vorweg, wenn man gebeten wird, für ein Portal zu schreiben, das „Reisen heilt“ heißt. Wir haben ein bisschen mehr gemacht als zu reisen. Wir sind über 10.000 Kilometer weit bis an die Pazifikküste von Südamerika geflogen – und bleiben da.

Ouarda hat einen Jahresvertrag als Profesora an der deutschen Schule in Guayaquil, mit über 3 Millionen Einwohnern die größte Stadt Ecuadors. Yiliyen geht dort ebenfalls zur Schule und ich arbeite hier als Autor, wie ich es auch in München gemacht habe, der schönsten Stadt der Welt.

Schöner wohnen in der Gated Community

Guayaquil dagegen ist keine besonders schöne Stadt, sondern eher ein Moloch mit Hafen, achtspurigen Straßen, riesigen Slumvierteln, Lärm und Dreck und viel Kriminalität. Unser Haus ist vergittert wie ein Hochsicherheitsgefängnis, obwohl es in einer Urbanization mit Schranken, elektronischen Codekarten und Wachmännern am Eingang steht. Alle Häuser in unserem Viertel sehen so aus, aber manche haben zusätzlich noch einen High-Voltage Zaun oben auf der Mauer, der potentielle Einbrecher ins Koma befördert, bevor sie Dich ausrauben können. Das haben wir nicht.

Wenigstens das Busverkehrunternehmen klingt nach Freiheit „Cooperativa Libertad Peninsular C.L.P.“

Dafür haben wir jeden Tag 30 Grad und Kolibris im Garten sowie kleine Papageien und manchmal einen riesigen Leguan (Iguana), der aussieht wie eine geschrumpfte Version des Drachen aus dem Nibelungenlied. Die gibt es hier wie bei uns in Deutschland Eichhörnchen.

Reisen macht nicht nur heil

Fango-Packung bei den heiligen Schwefelquellen von Agua Blanca. Mitten im tropischen Trockenwald, 15 km von Puerto Lopez entfernt, liegt diese archaische Wellness-Oase.

Das warme Wetter führt dazu, dass Ouardas Schulter nicht mehr schmerzt und auch Pollen und Insekten scheinen anders drauf zu sein, als ihre Verwandten in Deutschland: Ouardas Allergien sind jedenfalls komplett verschwunden. Es stimmt also: Reisen heilt.

Es macht auch die Beziehung besser. Wir sind nach 18 Jahren Ehe wieder wie frisch verliebt. Vielleicht liegt das an der neuen, aufregenden Umgebung und den vielen Herausforderungen, die wir gemeinsam bewältigen müssen. Außerdem haben wir mehr Sex als in München. Natürlich hat das mit der erneuerten Liebe zu tun, wahrscheinlich aber auch mit den stimulierenden Temperaturen hier in unserer neuen Heimat. Mehr Sex: schön und gut – aber manchmal denke ich, wir sollten statt dessen vielleicht noch ein wenig intensiver Spanisch lernen. Hier spricht nämlich (außer an der Schule) keiner Deutsch und kaum jemand Englisch. Aber das wird schon!

Reisen macht übrigens nicht nur heil und geil, sondern auch klug. Man lernt (hoffentlich) eine neue Sprache, lernt andere Kulturen kennen, erweitert den Horizont und kann aus der Ferne erst richtig würdigen, wie toll, friedlich, sicher und reich Deutschland ist.

Jobangebot aus Guayaquil

Wir hatten uns entschlossen, für ein paar Jahre ins Ausland zu gehen, um unserem Leben und unserer Beziehung ein paar Challenges zu geben. Aber wir wollten keine Currywurst am Strand verkaufen, bayerisches Craft-Beer brauen oder sonst ein Business aufmachen. Wir wollten eine klare Struktur durch den Job für Ouarda und die Schule für Yiliyen haben. Und das erste Angebot für einen Job an einer deutschen Schule kam aus Guayaquil. Bingo! Deshalb sind wir jetzt hier.

Alle, die davon hörten, warnten uns, vor allem unsere Nachbarin Rosa in München. Sie stammt aus Quito, der Hauptstadt von Ecuador. „Guayaquil ist gefährlich“, sagte sie, „mein Onkel wurde da schon ausgeraubt.“ Später stellte sich heraus, dass das alle Leute aus Quito behaupten. Ihre Stadt ist zwar die Hauptstadt von Ecuador und liegt auf fast 3.000 Metern Höhe (so hoch wie die Zugspitze) in den Anden, aber sie ist viel kleiner als Guayaquil. Wahrscheinlich haben die Leute aus Quito eine Art Minderwertigkeitskomplex. Außerdem reden sie viel langsamer als die Menschen an der Costa. So sind die Bergbewohner eben, das kennt man ja aus Bayern…

Aber wir wurden (bisher) noch nicht überfallen und/oder ausgeraubt. Im Gegenteil: Wir haben nur gute Erfahrungen gemacht. Die Menschen sind freundlich, die Natur überwältigend, das Klima genial und Ecuador das vermutlich am meisten unterschätzte Reiseziel der Welt.

Costa – Sierra – Oriente

Alle kennen nur die Galapagos-Inseln, 1.000 Kilometer westlich der ecuadorianischen Küste mitten im Pazifik. Dort gibt es wenige Tiere, aber davon viele: Riesenschildkröten, Robben, Vögel. Eigentlich langweilig. Viel spannender ist das ecuadorianische Festland: So viel Biodiversität wie hier gibt es sonst nirgendwo auf der Welt. Das liegt daran, dass Ecuador aus drei vollkommen unterschiedlichen Regionen besteht – und das auf engstem Raum:

  • Die Costa mit wunderbaren, einsamen Stränden, tropischem Trockenwald und einem ausschweifenden karibischen Lebensstil in den Städte und Dörfern am Meer.
  • Die Sierra mit den zwei Hochgebirgsketten der Anden, aktiven Vulkanen und der höchsten Erhebung auf dem Globus. Weil die Erde am Äquator ausgebeult ist, ragt der Chimborazo (6.267 m) weiter in den Weltraum als der Mount Everest.
  • Der Oriente, die dünn besiedelte Amazonasebene mit ihren unendlichen Urwäldern und bis heute unentdeckten Indianerstämmen.

Über den Anden kreisen Kondore, die größten Greifvögel der Erde (Spannweite über 3 Meter). An den Hängen grasen Lamas und im Amazonasgebiet toben Affen und Papageien in den Baumkronen, während unten seltene Tapire und Pumas durch das Gebüsch schleichen (an der Grenze nach Kolumbien schleichen dort allerdings gern auch Drogenschmuggler herum). An der Küste dagegen ist das Paradies der Seevögel, Seelöwen, Delfine und Buckelwale. Vor Puerto Lopez treffen die Wale sich jedes Jahr, um sich zu paaren und zu gebären.

Es ist ein beeindruckendes Schauspiel, wenn die tonnenschweren Meeressäuger mit ihren 5 Meter großen Babys wenige Meter neben dem Whalewatching-Boot auftauchen, Luft ausblasen und die Wellen mit ihrer Schwanzflosse peitschen. Falls man nicht gerade damit beschäftigt ist, sich seekrank zu erbrechen, dem seekranken, sich erbrechenden Nachbarn auszuweichen oder ganz banal im entscheidenden Augenblick in die falsche Richtung guckt.

Ecuador ist eindeutig eine Reise wert

Noch ist der Flug relativ teuer (am besten und schnellsten mit KLM über Amsterdam ab 870 Euro), ab 2018 will Condor preisgünstig von Frankfurt nach Quito fliegen. Unbedingt besuchen:

  • Puerto Lopez zum Whalewatching (März bis September). Wohnen in der Hosteria Mandala direkt am Strand (Maja, die Besitzerin, spricht deutsch).
  • Ingapirca, die Ruinenstadt der Inkas und ihrer Vorfahren, der Kanaris, in den Anden.
  • Quito, die höchste Hauptstadt der Welt, und die Vulkane und Gipfel rundherum.
  • Cuenca, die schönste Stadt des Landes, ebenfalls in den Anden, mit spanischem Flair. Wir waren im Hotel Crespo in der historischen Altstadt. Ein alter Kasten, trotzdem charmant.
  • Die schönen Strände von Esmeraldas.
  • Den Oriente, am besten in einer Öko-Lodge im Dschungel (Anreise am Schluss nur noch im Einbaum über die Flüsse).
  • Das großartige Philosophie-Museum Museo Phi des Millionärs und Freigeists Ramón Sonnenholzner in seinem Kulturpark Garza Roja („Roter Reiher“) am Daule-Fluss 30 Kilometer außerhalb von Guayaquil.

Vor dem Museo Phi mit Yiliyen (rechts) und Don Ramons Enkel.

Mehr Infos auf der Internetseite des Tourismusministeriums

Katalog des Museo Phi

Daniel A. Kempken – Schlaglichter Ecuador 2010: Highlights und Tipps, Geheimtipps und Kuriositäten

Wenn es Sie interessiert, wie es bei Michael Kneissler weitergeht, lesen Sie seine monatliche Kolumne auf der letzten Seite der Zeitschrift ELTERNfamily oder besuchen Sie ihn auf Facebook #bayerninecuador. Dort können Sie auch Kontakt mit ihm aufnehmen.

Bücher von Michael Kneissler finden Sie hier.

 

 


 

9 Gedanken zu „Südamerika – Ecuador“

  1. Wenn ich im Trend des heute in Deutschland üblichen Sprachgebrauchs läge, würde ich sagen: eine mega-geile Geschichte. Da ich aber schon immer etwas gegen dieses Wort hatte, sage ich einfach : eine sehr sympathische Geschichte. Außerdem meine Bestätigung: Reisen heilt, aber Schreiben fast genauso und Lesen bisweilen auch. Muchas gracias caballero y buena continuacion! Un caloroso saluto dal Lago e buona giornata, Harald

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  2. Liebe Jutta, zu träumen soll man nie aufhören.
    1966 war ich mit einer Kollegin auf einer abenteuerlichen Reise durch Südamerika.
    Zuerst Brasilien, dann von Buenos Aires in Argentinien mit dem Zug nach La Paz in Bolivien. Über den Titicacasee nach Cusco in Peru, dann über die Anden nach Lima, die Hauptstadt Perus. Flug nach Quito in Ecuador, Abstecher nach Otavala mit einem unvergesslichen Markt und von Panama in Mittelamerika aus zurück. Also planen und träumen ist heilsam!

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  3. Ich habe fasziniert den Bericht gelesen. Das klingt ja höchst verlockend – mal abgesehen vom vergitterten Heim. Das ist natürlich nicht so reizvoll. Aber Dschungel finde ich schon immer spannend. Südamerika gehört zwar nicht zu meinen Wunschzielen (zu gefährlich für eine alleinreisende Frau, denke ich immer). Doch mal schauen. Wenn ich noch mehr von Michaels Erfahrungen lese, könnte mich das vielleicht noch umstimmen.

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  4. Ich habe wundervolle Erinnerungen an Quito und an die Otavalos mit ihren Hüten und weiten Röcken und ihren Babys, die sie in bunten Tüchern auf dem Rücken trugen. Die Landschaft mit dem schneebedeckten Stadtberg Pannecillo und den herrlichen Kolonialbauten. Dieses Land ist eine Reise wert! Jutta, wann starten wir, dort gibt es auch Avocados!

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    • Du, meine liebste Weltenbummlerin! Für Avocados reise ich da natürlich gerne hin. Michael Kneissler kann sich ja schon mal nach einer kleinen Avocado-Plantage für mich erkundigen, am besten bei Don Ramón 😉

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