Love- und Romance-Scamming
Beachboys und ihre Liebesmasche auf Sansibar

Sansibar ist für viele Erholungssuchende der Inbegriff einer tropisch-paradiesischen Trauminsel. Doch auch da gibt es Licht und Schatten. Junge Massai-Männer aus Tansania haben hier eine lukrative Nische für sich entdeckt, ihre exotische, lässige und selbstbewusste Ausstrahlung zu vermarkten. Durch Anbaggern und Flirten bringen die Beachboys weiße Touristinnen („mzungus“) um ihren Verstand und ziehen ihnen das Geld aus der Tasche. Ein warnender Selbsterfahrungsbericht nicht nur für allein reisende Frauen!
Der Bann ist gebrochen. Seit meiner Rückkehr aus Sansibar vor über drei Monaten waren meine Sinne vernebelt durch vertraute bis amouröse Gespräche mit einem jungen Massai (Maasai), mit dem ich ab und zu telefonierte. Ich hatte ihm auf Sansibar zwei Perlen-Armreife abgekauft, ihm eine Flasche Wasser und ein Glas Zuckerrohrsaft geschenkt, war mit ihm am Strand entlang spaziert. Sonst war nichts zwischen uns gewesen, außer einem zärtlichen Gefühl, ähnlich dem einer Mutter zu ihrem Sohn. Von meiner Seite aus war es eine ehrliche, zwischenmenschliche Begegnung. Ich musste weinen, als ich ihn das letzte Mal sah. Warum, weiß ich selbst nicht genau.

Daniel spricht nicht gut Englisch, über Privates oder Weltpolitisches konnten wir uns am Telefon nicht unterhalten, doch für „How are you? How was your day? I miss you. I love you. Dream of me! Your hair are like a baby cow“ reichte es dann doch. Erstaunlicherweise war ich glücklich damit, ihn einfach nur über Video zu sehen, mit seinem traditionellen Shouka-Umhang, seinen Massai-typischen Haaren und den blendend weißen Zähnen. Sehr bald gesellten sich zu seinen Floskeln aber auch noch Bitten wie: „Can you support me? Please help me! I need money to go to Zanzibar. My family is so thankful for your help”. Nicht gleich, sondern zeitlich fein abgestimmt. Massai sind einfühlsame, intuitive Menschen – so wie ich auch. Trotz meiner Erfahrung fühle ich mich ihnen nach wie vor verbunden.
Massai als Herzensbrecher, weiße Frauen als Melkkühe
Doch nun – nach gut drei Monaten – bin ich ernüchtert und geläutert. Die Entzauberung kam am Pfingstsonntag – der Heilige Geist hat vielleicht etwas nachgeholfen 😊 – durch einen Internetartikel von betroffenen weißen Frauen über Massai-Beachboys auf Zanzibar. Sie alle wurden finanziell ausgenommen, ihre Gefühle ausgenutzt, manche sogar geschlagen. Selbst die Familien und Frauen der Massai sollen dieses (Trauer-)Spiel mitspielen, weil sie das Geld brauchen. So weit ging ich nicht, ich habe nur zweimal Geld an Daniel geschickt.
Nachdem meine postalische Einschreibe-Sendung nach Tanzania samt Inhalt von 17 USD und 3.000 TZS (mein restliches Urlaubswechselgeld) tatsächlich dort angekommen war, zeigte mir Daniel seine Mama am Telefon. Sie sagte immer wieder „Jambo, jambo“, vielleicht war das ihre Art, vielen Dank (Asante sana) zu sagen. Das ganze Geld hat sie wohl für sich und ihre Kinder bekommen. Daniel ist ihr ältester 26-jähriger Sohn.
Dieser Internetartikel über die Massai-Beachboys hat mir die Augen geöffnet, mich aus meinem Jungmädchentraum wachgerüttelt. Am Abend zuvor hatte ich noch mit Daniel im tansanischen Busch telefoniert. Er bettelte mich zum dritten Mal um Geld für die Fahrt nach Sansibar an: 50.000 TZS, umgerechnet rund 20 €, für einen Europäer nicht viel Geld, für einen Tansanier ein Vermögen, erst recht für einen jungen Massai, der im Busch nur Kühe hütet und sonst kein Einkommen hat. Ich erbat mir Bedenkzeit, dann fand ich „zufällig“ den Artikel und entschied mich gegen eine erneute dritte „Spende“.
Sansi-bar – Am liebsten in bar

Mein Vertrauensvorschuss für Massai

Bei meinem ersten Aufenthalt auf Sansibar vor 12 Jahren, als ich noch mit meinem Ex-Freund reiste, folgte uns auch ein Massai: Thomas tauchte immer wieder unerwartet mit seinem Stock (emudi) in dem Resort auf, in dem wir gerade waren. Wir spendierten ihm eine Cola und er war glücklich, mit uns einfach zusammen zu sitzen, uns seine Schmuckstücke zu zeigen und das ein oder andere zu verkaufen, die ich heute noch trage. Ein Smart Phone hatte er damals nicht. Ich hatte keinen Kontakt mehr über all die Jahre. Mit diesem Vertrauensvorschuss kam ich nun im Februar 2022 zum zweiten Mal nach Sansibar, dieses Mal allein.
Thomas wollte ich auch ausfindig machen, fragte fast alle Massai, die mir begegneten, selbst den in meinem Resort in Kizimkazi für Security angestellten, ob sie ihn vielleicht kennen. Zeigte ihnen meinen Artikel in der „Tirolerin“, in dem auch ein großes Foto von uns beiden mit vier Mädchen veröffentlicht ist. Salum, ein Sansibari, der mir 2010 noch als Junge in Jambiani Gebackenes von seiner Mutter verkaufte, lief mir „zufällig“ am Beach in Sansibar-Stadt über den Weg. Ich erkannte ihn wieder nach 12 Jahren (leider ist auch er ein Beachboy). Er erzählte mir, dass Massai Thomas mittlerweile ein alter Mann sei. Irgendwann werde ihn in seinem Dorf in Tansania finden und ihm den schönen Ring aus Kuhhorn mit den schwarzen Perlchen zeigen, den er vielleicht reparieren lassen kann. Just good friends over all the years that passed by. Auch das gibt es.


Seit 12 Jahren trage ich den Fußreif von Thomas, links auf Sansibar anno 2022, rechts 2010.
Die Kultur der Massai im Umbruch
Times are changing. Seit 2010 hat sich einiges verändert. Damals hatte ich noch kein WhatsApp und nach meiner Rückkehr auch keinen weiteren Kontakt. Im gleichen Resort, in dem ich jetzt auch wieder war, sind heute keine Massai mehr erlaubt, außer diejenigen, die für die Security dort angestellt sind. Die anderen kann man nur außerhalb am Strand oder in den Dörfern treffen, wo sie Touristen, Alleinreisende und auch Paare, ansprechen.
Die Kultur der Massai ist im Wandel, im Umbruch. Vor allem junge Massai aus Tansania, die noch nicht verheiratet sind und kein Geld für den Kauf von Kühen haben, um eine Frau zu heiraten, sind an den Stränden Sansibars unterwegs. Ihr Handy ist das Kommunikationsmittel Nummer 1, mit dem sie auch den Kontakt über Landesgrenzen hinweg am Leben erhalten. (In meinem Studien-Nebenfach Ethnologie hatte ich Mitte der 1980-er Jahren eine Arbeit über das Brautpreissystem der Swazi in Südafrika geschrieben: „Lobola – Wifes for cattle“, insofern ist mir diese Tradition vertraut).
Realistisch gesehen wird der Austausch von Geben und Nehmen immer einseitig bleiben. Die Frau gibt, der Massai nimmt. Außer frau bekommt für ihre Geldtransfers ein Geschenk in Form eines Fußkettchens oder Armreifs mit ihrem Namen. Daniel trug so einen Armreif mit seinem Namen, ich hatte ihn mir mit meinem Namen gewünscht. Ob ich ihn wohl jemals bekommen werde?
Sex sells – ein weltweites Phänomen

Schon Mitte der 1990-er Jahre, als ich mit meinem damaligen Freund an einem Strand auf Sri Lanka entlang ging, begleitete uns ein junger Singhalese und fragte mich: „Do you want my banana?“ Wie groß musste seine finanzielle Not sein? Wie „notgeil“ muss ein (dunkelhäutiger) Mann sein, um sich einer (weißen) Frau öffentlich für Geld anzubieten? Umgekehrt ist es mir auch schon passiert, als ich mit einem Freund auf Phuket war, dass er in meinem Beisein von einheimischen Frauen angemacht wurde.
Love Scammer und Romance Scammer in sozialen Netzwerken
Eigentlich hätte ich es ja wissen müssen! 2018 hatte mich über LinkedIn schon mal ein Alfred F. angeschrieben. Der gutaussehende Unbekannte kontaktierte mich über eine andere Freundin, die mich noch (vor ihm) warnte. Doch ich war neugierig, wollte dahinterkommen, wer Alfred wirklich ist, dafür legte ich mir sogar eine neue E-Mail zu. Während unserer Korrespondenz hatte ich manchmal das Gefühl, seine Antworten an mich wurden von unterschiedlichen Leuten verfasst, auf jeden Fall waren sie stets freundlich, aufmerksam und liebevoll. Mysteriös war nur, dass er angeblich in Augusta/USA zuhause sein sollte, aber – nach investigativer Recherche – eine südafrikanische WhatsApp-Nummer hatte, die ich auch anrief. Seine Stimme klang überrascht und sein Englisch war wie das eines dunkelhäutigen Südafrikaners (ich war schon mal mit 21/22 Jahren drei Monate allein in Südafrika).
Bis mich dann ein Freund aufklärte und mir Links zu dem mir noch unbekannten Thema „Love Scamming“ und „Romance Scamming“ schickte. Scamming heißt Betrug, den es auf vielen Gebieten gibt. Liebesbetrug mit Heiratsschwindlern gab es zu allen Zeiten. Doch heute im Internet-Zeitalter sind die Methoden ausgebuffter. Die Porträt-Fotos sind meist geklaute Fake-Fotos von anderen gutaussehenden Personen, die von ihrem Glück gar nichts wissen. Ich schrieb Linkedin an, informierte sie über den ominösen Scammer. Alfred‘s Pseudo-Profil wurde gelöscht.
Hi Jutta,
I hope my email finds you well. Perhaps this might be a little surprising. I am one of your connections on LinkedIn, i came across your profile and then something about your profile picture caught my attention so i thought I’d say hi to the beautiful lady but being on LinkedIn i thought it might appear rude or unprofessional so i decided to write you via your personal email.
Please don’t find this rude if you’re already involved but otherwise it would be nice to know each other better.
Hope you enjoy the rest of your day.
Best regards,
Alfred
Reisen heilt! – Immer wieder aufs Neue

Als Alleinreisende bin ich nicht auf sie hereingefallen, habe mich körperlich nicht auf sie eingelassen, nur meine Gefühle hat es eine Zeitlang durcheinandergewirbelt. Doch das ist verschmerzbar, ebenso wie das „Lehrgeld“, das ich an Daniel und an einen weiteren Massai überwiesen habe, insgesamt rund 75 €. Ihre Familien und Kinder im tansanischen Busch konnten das Geld sicher gut gebrauchen. Aber ich steige jetzt aus, nehme kein Telefonat mehr an, rufe nicht mehr zurück, schicke kein Geld mehr.
Übrigens sind es nicht nur Massai, auch ein Tansanier aus Daressalam, der in meinem Resort auf Sansibar bediente, schrieb mich über WhatsApp an und wollte 100 USD (ca. 95 €), mit dem Versprechen, es mir zurück zu zahlen. Ich habe ihm „NO“ geantwortet. Wer weiß, ob ich es jemals zurück bekommen hätte. Auch bei uns wächst das Geld nicht auf den Bäumen!
Sollte ich Daniel jemals wiedersehen, werde ich versuchen, mit ihm zu reden. Ich weiß nicht, ob er mich verstehen wird, ob es in sein Weltbild passt. Ich maße mir nicht an, ihn oder andere verändern zu können. Das können nur starke, selbstbewusste Frauen, die verstehen, dass sie zwischenmenschlich-freundschaftlich-monetär zwar helfen können, aber selbst nur unbeschadet bleiben, wenn sie im Gegenzug nichts erwarten, vor allem keine anhaltende Befriedigung sexueller Defizite oder einsamer Gemütszustände. Alles andere ist Selbstbetrug und Schönfärberei. Wer tiefer in die Materie einsteigen möchte, dem empfehle ich den Film „Paradies: Liebe“ des österreichischen Regisseurs Ulrich Seidl.
Die Magie bleibt oder: Das Spiel mit dem Feuer
Pfingstmontag fahre ich mit der S-Bahn von München nach Starnberg zum Afrika-Karibik-Festival. Schräg gegenüber sitzt ein junger Mann, der fingerfertig Kunststücke und Kartentricks macht. Gebannt verfolge ich sie und frage ihn, ob er mir seine Visitenkarte gibt, vielleicht kann ich ihn mal buchen. Er zündet ein Papiertaschentuch an, aus dem Feuer taucht eine Visitenkarte auf, die er mir überreicht. Als ich den Namen darauf lese, reißt es mich: Er heißt „Daniel“, the Magician – der Magier. Seine E-Mail-Adresse enthält 97, sein Geburtsjahr ist 1997. Daniel, „mein“ Massai, ist 1996 geboren. Es bleibt spannend…

Weiterführende Links
Männliche Scammer allgemein:
https://www.romancescambaiter.de/g2863-Scammer-maennlich-Galerie.html
Hallo Jutta!
Schöner Artikel! Ich war 2021 allein auf Sansibar und und es hätte traumhaft sein können, aber die beachboys haben diesen Urlaub leider ziemlich verdorben. Keinen Meter am Strand spazieren zu können, ohne auf höchst unangenehme und aufdringliche Weise angeflirtet zu werden, empfand ich als so widerlich, dass ich (leider) keinen weiteren Urlaub in dieser Region machen werde, obwohl die Insel mit ihrer Geschichte, dem tollen Essen und den Traumständen wirklich Potenzial hat.
Sehr sehr schade.
Ja, wirklich schade, Christine. Leider bleibt es nicht nur beim Flirten. Manche „white ladies“ verfallen den smarten Massai mit Haut und Haar und schicken regelmäßig Geld. Es scheint ein System dahinter zu stehen, in dem alle Familienmitglieder in Tanzania mitmischen und das System mittragen. Money makes the world go round!
Hallo liebe Jutta,
Vielen Dank für Deinen tollen Reisebericht. Wie heißt es so schön: Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. Das trifft zu 100 % auf Dich zu. Du bereist die ganze bucklige Welt, mit dem Motto: „Reisen heilt.“ Wie recht Du hast.
Leider kann ich alte Schachtel nicht mehr reisen, aber ich genieße Deine außergewöhnlichen Reiseberichte und spinne mir dann aus, dass ich die schönen Gegenden, die Du beschreibst, unsicher mache. Meine Fantasie kennt auch mit 90 keine Grenzen. In diesem Sinn grüße ich dich ganz herzlich und freue mich schon auf Deinen nächsten Reisetripp.
Monika
Liebe Monika,
mein nächster Reisetripp wird zu Dir in die Pfalz sein!
Vielleicht schreibe ich dann über Dich und Deine Bücher und Bilder!
Wir sehen uns, bis bald!
Hi Jutta!
Ja, das ist ein interessanter Artikel, der mich auf eine neue Idee bringt:
Ich schule auf Beachboy in München um. Fehlen nur noch die kapitalkräftigen Frauen, aber die sollten sich im schönen München ja zur Genüge finden lassen 🙂
Dann kannst Du in 2 Jahren einen Artikel über mich schreiben.
Gruß,
FutureSeducingLoverBoy
Das bist Du doch heute schon, Django! Vielleicht gehst Du mal nach Sansibar und schaust Dir an, wie die Boys das dort machen. Probieren geht über Studieren 😉
Dass weiße Frauen mit den weißen Männern nicht so glücklich zu sein scheinen, hat sich wohl in der ganzen Welt herum gesprochen. Dieses Phänomen gibt es tatsächlich überall und es stellt sich die Frage, welche Verletzungen dahinter stecken, denn der Selbstbetrug geht bei manchen Frauen bis zur Selbstaufgabe und der Existenzgefährdung.
Ein spannender, ehrlicher Artikel – vielen Dank, Jutta.