Eine Festung erwacht zum Leben
„Stimme der Burg“ – das Lichtfestival in Kufstein
Kufstein, die Perle Tirols am Inn, ist bekannt für ihr Kaisergebirge und die Schneerosenblüte im Kufsteiner Land im Frühjahr. Hoch über den Dächern der Stadt thront die geschichtsträchtige Festung. Hier kann man noch bis zum 28. Januar 2024 das audiovisuelle Lichtfestival „Stimme der Burg“ zu abendlicher Stunde sehen und hören, begleitet von den Klängen der größten Freiluftorgel der Welt, der Heldenorgel (Video 8), und einer Nachtwächterin mit Laterne. Für die ganze Familie ist dieser rund 50-minütige Rundgang meist im Freien – es geht auch mal ins Innere der Festung – ein Highlight in der dunklen Winterzeit.
„Wer sich nach Licht sehnt, ist nicht lichtlos,
denn die Sehnsucht ist schon Licht.“
Bettina von Arnim, deutsche Schriftstellerin, 1785 – 1859
Über 800 Jahre alt sind die Gemäuer der einst wehrhaften Festung, die nie als Residenz eines Fürsten geplant war, sondern als Bollwerk zum Schutz diente. In ihrer wechselvollen Geschichte ging es immer wieder um territoriale Auseinandersetzungen zwischen den Habsburgern, den Bayern und den Tirolern. Kaiser Maximilian I. war Habsburger Herrscher und konnte die Wehranlage 1504 von den Bayern zurück erobern. Im Juni 1703 drangen die Bayern überfallartig in die Burg ein, deshalb heißt dieser Bereich auch heute noch „Bayereinfall“. Burg und Stadt waren wieder bei Bayern. Schon im folgenden Jahr wurden Burg und Stadt allerdings wieder an die Habsburger gegeben. Klingt verwirrend, bitte noch etwas durchhalten, wir sind mit der Historie gleich durch! (Anm. d. Red.) 🙂
100 Jahre später gelangte die Festung wieder zu Bayern, welches als Verbündeter Napoleons im Friedensvertrag von Pressburg Tirol erhalten hatte. Im Jahr 1814, nach einem Wechsel der Bayern in die Allianz der Napoleon-Gegner wurde Tirol endgültig habsburgisch. Erst im 19. Jahrhundert verlor die Festung ihre militärische Bedeutung. Seit 1924 ist sie im Besitz der Stadt Kufstein. Heute steht die Burg Besuchern offen, die das Museum, Konzerte und andere Events besuchen. So wie das Lichtfestival, das dieses Jahr zum dritten Mal stattfindet.
Sándor Rózsa, ungarischer „Rebell der Puszta“
Über 100 Jahre lang war der Kaiserturm auf der Festung das Staatsgefängnis der Habsburger Monarchie für Adlige, Revolutionäre und Freiheitskämpfer. Auch davon „spricht“ (erzählt) die Burg mit stark ungarischem Akzent: Der „Rebell der Puszta“ Sándor Rózsa, ein berühmt-berüchtigter Widerständler gegen die Habsburger, saß hier sechs Jahre lang hinter Gittern, nur ein Vögelchen und die Frauen aus Kufstein besuchten ihn, weil er so ein fesches Mannsbild war. „Der ungarische ‚Betyár‘ hatte auch in Österreich einen solchen Ruf, dass ihn die Wachen während seiner Haft sonntags wie ein Zirkustier den Leuten für Geld vorführten“, schreibt die dailynewshungary.com. Seine Gefängniszelle im Kaiserturm kann man heute besichtigen. (Video 5 + 6)
Städte-Trip mit Burgbesuch
Kufstein kannte ich bisher nur von Wanderungen, vor allem zu den Schneerosen, die im Frühjahr im Kufsteiner Land an den Hängen blühen. Anfang Januar – zur Zeit der Raunächte – war ich dort noch nie. „Ein Städte-Trip voller Magie“, titelte ein kurzer Beitrag in der Zeitung über das Lichtfestival. Da die historische Stadt nur rund 90 Kilometer südlich von München liegt und man für den kurzen Autobahnabschnitt von der deutsch-österreichischen Grenze bis nach Kufstein-Süd keine Autobahn-Vignette braucht, fuhren wir am 2. Januar spontan hin. Wir hatten die letzten zwei Karten für die Führung um 17:30 Uhr bekommen.
Mit der Panoramabahn „Kaiser Maximilian“ ging es erst mal ganz bequem mit super Ausblick auf das abendlich erleuchtete Kufstein hinauf auf die Festung. Dort erwartete uns eine Nachtwächterin mit Laterne, die uns zu den sechs Stationen führte. Erstaunlich viele kleine Kinder waren mit ihren Eltern zugegen. Anfangs wuselten sie noch durch die Gegend, dann lauschten sie aufmerksam den Erzählungen und sahen sich die großflächigen Projektionen auf den beleuchteten Mauerflächen an.
„Die Sonne lehrt alle Lebewesen die Sehnsucht nach dem Licht.
Doch es ist die Nacht, die uns alle zu den Sternen erhebt.“
Khalil Gibran, libanesischer Künstler und Dichter, 1883–1931
Kurze Love Story auf der Burg
Berührt hat mich die traurige Liebesgeschichte von Friederike, einem Mädchen aus Kufstein, und ihrem Offizier. Nach seiner Versetzung grämte sie sich so sehr, dass sie 1839 von der Burg stürzte oder in den Tod sprang, Genaues weiß man nicht. Der Asche Friederikes ist ein Gedenkstein gewidmet. (Video 7)
Mein persönliches Highlight war der lange, schmale Felsengang ins Innere der Festung zur geheimen Herzkammer. Auf dem „Weg der Tapferen“ folgten wir der „Stimme der Burg“, gesprochen von Regina Lemnitz (Synchronstimme von Whoopi Goldberg), und gingen hintereinander bis zum kraftvoll schlagenden Herzen, wo ich eine Zeitlang innehielt. (Video 8)
Hier an dieser Stelle tief im Innern unter der Erde spürte ich den Herzschlag der Burg, all ihre Verwundungen und Verletzungen, aber auch ihren (Über-)Lebenswillen. Sie hat seit ihrer ersten namentlichen Erwähnung im Jahr 1205 so unglaublich viel gesehen und gehört. Menschen haben auf ihr gelebt, geliebt und gelitten. All das haben die altehrwürdigen Mauern gespeichert und geben davon in diesem einen Monat zwischen den Jahren einen Teil ihrer Erfahrungen preis.
Leise Kritik
Ein Kompliment an die Macher dieses audiovisuellen Lichtfestivals! Nur mit ihrem Ausblick ins Jahr 2024 und darüber hinaus in die Zukunft an der letzten Station der Führung gehe ich nicht konform. Da kam dann doch das menschliche Gut- bzw. Besserwissen wieder durch. Was wissen so alte Gemäuer schon von Künstlicher Intelligenz (KI), ihren Chancen und Gefahren? Was von Klimawandel und Regenbogenparade? Und was von der Allmacht der Wissenschaft, wenn es um die Ausrottung von Viren durch „Zaubermittel“ und die Heilung von Krankheiten geht? (Video 10 + 11)
Da haben die Schöpfer des Lichtfestivals eine Festung für ihre (politischen) Zwecke instrumentalisiert und die „Stimme der Burg“ mehr als nötig sagen lassen. Für eine gute und sichere Zukunft braucht es aber auch eine Aufarbeitung der letzten drei Jahre – 2020 bis 2023 – und nicht nur eine Beschönigung oder gar Vertuschung.
Fazit: Lasst doch bitte eine Burg eine Burg sein und eine Festung eine Festung! Sie wird auch alles andere überdauern und überleben.
Videos vom Rundgang
Liebe Jutta,
danke für den wunderbaren Reisebericht über Kufstein. Wäre ja gar nicht so weit weg von hier, vielleicht schaff ich es ja auch mal im Leben mir das anzuschauen.
Liebe Grüße von Renate
Hallo liebe Jutta.
Es ist wieder ein hervorragender Artikel über das Lichtfestival. Deine Reiseberichte finde ich super. Das Video Nr.7 (Friederike und ihr Offizier) mit dem Ausspruch: „Mögen die Liebenden dieser Welt uns daran erinnern, wie kostbar jede einzelne gemeinsam verbrachte Stunde ist,hat mich sehr berührt, weil ich dabei an die wunderschöne Zeit mit meiner plötzlich verstorbenen Frau erinnert wurde.
Vielen Dank für diesen Artikel und viele liebe Grüße.
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Lieber Günter,
danke für Deine persönlichen Zeilen! Danke für das Zitat aus dem Video, das Du Dir sehr aufmerksam angehört hast. Der plötzliche Verlust Deiner Frau schmerzt Dich immer noch, umso mehr widme ich Dir und allen Liebenden dieser Welt den Artikel. Gemeinsame Zeit glücklich miteinander erleben zu dürfen, ist etwas Kostbares. Das wissen wir erst, wenn es nicht mehr so ist. Deshalb – auch wenn es altmodisch klingen mag – wünsche ich uns allen „love, peace and happiness“. Make love, not war!
Sehr schöner Artikel über eine Burg, an der ich zig mal vorbei, aber nie hin gefahren bin- mit einer erfrischenden Kritik am Ende. Es muss nicht alles instrumentalisiert werden. Das sehe ich auch so.
Danke, Tina! Vielleicht schaffst Du es ja bis 28. Januar, um mal zur Burg hin- und hochzufahren und Dir das Lichtfestival selbst anzusehen.
Hallo liebe Jutta,
nachdem wir uns ja persönlich kennen und ich deine Reiseabenteuer verfolge im iNet, wünsche ich dir hiermit viele weitere Grüße aus aller Welt.
Laß mich bitte anfügen wie toll das ist wie du reist. Und auch immer wieder neue Ort entdeckst? Für mich ist dein Artikel „Kufstein“ Inspiration, das Reisen und Kultur, und natürlich auch den Spaß, zusammenzuführen und darüber hinaus einfach weiter zu machen. Unabhängig von Nachahmern, Trittbrettfahren und dem Mainstream. Hier hatte ich mich ausgeklinkt, bis die „fremden Federn“ in jenen, drei sozialen Kategorien nicht mehr nachwuchsen. Sich rar machen ist legitim. Um so mehr freute es mich von dir zu lesen. Bleiben wir wie immer geleichermaßen gechillt und tapfer. Ich selbst hab seit 4-5 Monaten TV und Radio aus, lese 1-2x die Woche die Tageszeitung, und tippe kaum noch im Internet. Bin schon am überlegen Deutschland zu verlassen. Inzsichen verfüge ich über zwei Reisepässe (10J und 6J) so dass das vllt möglich wäre. Dieses Jahr noch nicht. Falls es so weitergeht… – mir gehts gut ohne die Massen- und Mainstreammedien. Nur wenn ich in die Gesichter der Mitmenschen schaue, diese Raubvogelgesichter, die nun mehr und mehr verhärten. Nix also gegen Menschen, deswegen gehe ich ja so gern auf Reisen, und den Kulturen, auch im Hierzulande. Kultur wie du sie erlebst ist für mich womöglich eines der nächsten Entwicklungsziele. Daher ganz große Klasse, wie du das umsetzt und lebst. Weiter so!
Ein heller Lichtstrahl auf die vielen verfinsterten Gemüter unserer (tw. arg kommunikationsbehinderten) Zeit & eine Freude für diejenigen, die sich einfach nur freuen können am Leben und positiv und sich selbst treu geblieben sind.
Wünsche viele schöne Reisetage im neuen Jahr.
LG,
Michael