„Wohin du auch gehst, geh‘ mit deinem ganzen Herzen!“

Nach unserer Wanderung: von Uffing am Staffelsee nach Seehausen mit dem Schiff, der MS Seehausen. Hier finden im Juni, Juli und August 2024 auch Mondscheinfahrten – musikalische und lukullische – statt.

Wandern auf dem Meditationsweg im „Blauen Land“

70 Kilometer, nur eine Auto- oder Zugstunde südwestlich von München, liegt das „Blaue Land“, ein Naturparadies mit drei Seen, sieben Inseln und dem Murnauer Moos, das eigentlich ein Moor ist. Das „Blaue Land“ erstreckt sich rund um den Markt Murnau (nicht Stadt!) am Staffelsee in den bayerischen Voralpen und umfasst noch weitere acht Orte: Seehausen, Uffing, Eglfing, Riegsee, Ohlstadt, Großweil, Grafenaschau und Spatzenhausen.

 

Die Malerin Gabriele Münter fand in Murnau ihre Wahlheimat. Heute ist das Münter-Haus ein Museum für Kunstinteressierte. Inspiriert durch die beeindruckende Naturkulisse entwickelten Künstler des „Blauen Reiter“ Anfang des 20. Jahrhunderts eine neue Kunstrichtung, den Expressionismus.

In dieser kunsthistorisch und landschaftlich reizvollen Gegend waren wir drei Tage zu Fuß unterwegs auf dem Meditationsweg Ammergauer Alpen im Blauen Land, zu dem es auch ein Büchlein mit sechs Etappen zum Wandern und Meditieren gibt. Zwölf Holzstelen an besonderen Stand- und Kraftorten laden mit Texten zum Innehalten, Vertiefen und Verinnerlichen ein.

Im Griesbräu zu Murnau: „Wo’s Bier Spaß macht“

Angereist war ich am 3. Juni bei Regen von München nach Murnau mit dem Zug. Omobi, der On-Demand Ortsbus in Murnau, war ausgebucht. Mit Schirm in einer Hand zog ich mit der anderen den Koffer zu meiner Unterkunft. Unterwegs spritzte mich ein vorbeifahrendes Auto von oben bis unten voll mit Wasser. In meinem Zimmer im Hotel Griesbräu musste ich erst mal meine Kleider über der Heizung trocknen. Züge von weiter entfernten Teilnehmerinnen fielen kurzfristig aus bzw. ins Wasser. Land unter, nicht nur in Bayern.

Land unter auf dem Parkplatz in Seehausen. Wasser, egal, wo es herkommt, ist auch zum Planschen da!

Statt der geplanten Ortsführung durch Murnau gab es eine fachkundige Führung von Braumeister Philip Walter durch die Brauerei Griesbräu. Seit dem 17. Jahrhundert wird hier Bier gebraut. Wer gern frisch gezapftes Bier trinkt und bayrisch-bodenständig isst, ist im Traditionsgasthaus Griesbräu gut aufgehoben, drinnen im Trockenen ebenso wie draußen im denkmalgeschützten Vierkanthof unter der Akazie.

Die Gasthaus-Brauerei im Griesbräu zu Murnau. Hier finden Führungen und Bierseminare statt. Essen und Trinken kann man drinnen und draußen.

„Es werde Licht und Sonne“

Der Wettergott hatte ein Einsehen mit dem Dauerregen in Bayern und mit unserer kleinen Wandergruppe. Schon am zweiten Tag in Murnau schien die Sonne beim Erwachen durchs Fenster. Wie schön! 1908 hatte Wassily Kandinsky einen „Blick aus dem Fenster des Griesbräu“ gemalt.  Pfützen und Wasserlachen konnten nun langsam versiegen, ideal für unsere erste Wanderung.

1. Etappe auf dem Meditationsweg

Über den Bohlensteg durchs Murnauer Moos: mystisch und schützenswert

Mit Simon Bauer, Destinationsmanager Blaues Land, fahren wir vom Hauptbahnhof Murnau mit dem Bus zum Ausgangspunkt unserer ersten Tour nach Westried. Von hier aus wandern wir los. Der Bohlenweg, besser Bohlensteg durchs Murnauer Moos, das größte zusammenhängende Moorgebiet Mitteleuropas, ist einmalig; die Atmosphäre über dem Moor nach so vielen Regentagen fast mystisch. Mich erinnert dieser Bohlensteg an die Nationalparks in Costa Rica, durch die ähnliche Wege führen.

Wunderschön blühen die blau-violetten Blüten der Sibirischen Schwertlilie. Sogar unser Wanderhund Disco scheint angetan von so vielen natürlichen Düften und Aromen. Auf der ersten Holzstele „Murnauer Moos“ ist zu lesen, dass in der mineralstoffreichen Moorschicht 1.000 Arten an Blütenpflanzen, Farnen und Moosen leben, etwa ein Drittel der in Bayern heimischen Flora. Das Murnauer Moos: ein schützenswerter Lebensraum für vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten.

Zum Nachdenken:
„Wie achtsam und mutig bin ich selbst, wenn es darum geht,
Kostbares und Einzigartiges zu schützen und zu bewahren?“

Auf geführten Touren oder auf eigene Faust: Das Murnauer Moos, größtes geschlossenes Moorgebiet Mitteleuropas, ist immer einen Ausflug wert.

Zum Ramsachkircherl oder zur Ähndl: Halt, Kraft, Leichtigkeit

Weiter geht es zum Ramsachkircherl, im Volksmund „Ähndl“ (Ahnin, Urahnin) genannt. Sie soll die älteste Kirche Oberbayerns sein. Nach alten Überlieferungen soll es hier eine keltische Kultstätte gegeben haben. 1634, als in Murnau die Pest wütete, trug man viele Tote hierher zur Bestattung. An diesem Ort fanden und finden die Menschen trotz Schmerz, Leid und Verlust immer wieder Trost und Zuversicht.

Zum Nachdenken:
„Habe auch ich einen Ort, der mir immer wieder Halt und Kraft gibt?
Wo mein Herz wieder frei, leicht und heiter werden kann?“

Durch die Kottmüllerallee zum Münter-Haus

Nach einer erholsamen Mittagsrast vor einer Hütte in der Sonne wandern wir durch die Kottmüllerallee, eine wunderschöne Eichenallee mit Ausblicken auf Murnau und die Alpenkette, bis zum Münter-Haus. Gabriele Münter lebte hier mit Unterbrechung durch den I. Weltkrieg von 1909 bis 1962, Wassily Kandinsky bis 1914.

Der angrenzende Garten steht in blühender Rosenpracht, so als hätte es tagelang nicht geregnet. Vom Garten aus und aus den Fenstern des Hauses, wo Münter und Kandinsky ab dem Spätsommer 1908 mit ihrer künstlerischen Arbeit begannen, sieht man die St. Nikolauskirche und das Murnauer Schloss, das jetzige Schlossmuseum, in dem Werke des „Blauen Reiter“ und anderer expressionistischer Künstler sowie Hinterglasbilder zu sehen sind.

Prachtvoller Garten vor dem Münter-Haus

Interessant: Zur Zeit des Nationalsozialismus versteckte Münter im Keller ihres Hauses ihre umfangreiche Sammlung, die auch Werke von Kandinsky – er stand auf der Liste „entarteter“ Künstler an erster Stelle – und anderen Mitgliedern des „Blauen Reiter“ und seines Umkreises beinhaltete. Franz Marc, Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin kamen oft zu Besuch in ihr Haus, das von den Einheimischen auch „Russenhaus“ genannt wurde.

Auf „Stele 4 Münter-Haus“ lese ich: „Gabriele Münter und Wassily Kandinsky galten zu ihrer Zeit nicht als Künstler. Ihre Bilder entsprachen nicht dem allgemeinen ästhetischen Empfinden von vor 100 Jahren. Gabriele Münter lebte in bescheidenen Verhältnissen und versuchte oft erfolglos, ihre Bilder gegen Lebensmittel einzutauschen.“

Für mich eine Bestätigung, dass Kunst (zu der auch das Schreiben gehört) schon immer hart verdientes Brot war und ist.

Es müssen ja nicht gleich € 8.338.000 sein (in Worten: über 8 Millionen Euro)! So viel erbrachte die „Spanische Tänzerin“ von Alexej von Jawlensky, ein Bild, das er 1909 malte, in einem Münchner Auktionshaus just am gleichen Tag (7.6.2024), als unsere Pressereise endete. Jawlensky gehörte zur Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ und kam im Sommer 1908 mit Kandinsky und Münter nach Murnau.

Zum Nachdenken (meine eigene Erkenntnis ;-):
„Glaube an Dich und Deine Ideen, Eingebungen und Visionen und setze sie kreativ um: in Bilder, Fotos, Texte, Bücher, Lieder, etc. Vielleicht bringt Dein beharrlicher Einsatz Ansehen und Geld, wenn nicht zu Lebzeiten, so doch für die Nachwelt.“

2. Etappe auf dem Meditationsweg

Uffing, Vogelmühle, entlang der Ach, Seehausen. Erkenntnis: Alles fließt, am Fluss und beim Waldbaden

Norbert Parucha begleitet uns am zweiten Wandertag. Wir fahren von Murnau mit dem Zug eine Station Richtung München und steigen in Uffing aus. Nach einer kurzen Einstimmung ins meditative Gehen durch Norbert wandern wir (zumindest zeitweise schweigend) immer entlang der Ach – ein Flüsschen, das auch mal zu einem reißenden Fluss wird – auf dem Mühlenweg.

Wir kommen durch einen lichten Wald, vorbei an der Vogelmühle und überqueren kurz hinter dem Wehr die Brücke. Hier direkt an der Ach hat Nina von unserer Wandergruppe ein Häuschen mit ihrem Mann, der aus Murnau stammt, gemietet. Disco, ihr Hund, begrüßt sie schwanzwedelnd und möchte mit uns mitgehen. Ich bin gerührt, mehr Idylle und Heimat geht kaum.

Auf halbem (Rund-)Weg nach Schöffau müssen wir unsere Wanderschuhe ausziehen und barfuß fast bis zum Knie durchs Wasser waten. Ein kleines Abenteuer! Barbara bleibt zurück, sie hat eine Fußverletzung und kann nicht durchs Wasser gehen. Wir kehren wieder um. Während einer kleinen Rast in der Sonne weist uns Norbert auf die Wesenheiten in der Natur, die Elementale, hin.

Trockenen Fußes geht’s zurück nach Uffing in den Biergarten des Seerestaurants „Alpenblick“. Meine frische Seerenke mit Kartoffeln schmeckt mit Panoramablick auf die voralpine Bergwelt vorzüglich.

Ein Highlight ist die Fahrt mit der „Seehausen“, ein Schiff, von dessen Deck die Größe des Staffelsees (7,6 qkm) deutlich wird. Murnau als Anlegestelle ist wegen Hochwasser gesperrt, deshalb legt das Schiff in Seehausen an. Einige von uns gehen auf dem Seehauser Panoramaweg zurück nach Murnau.

Fazit: Ein rundum gelungener zweiter Wandertag zu Land und zu Wasser mit viel Sonne, Natur und Abwechslung im „Blauen Land“.

3. Etappe auf dem Meditationsweg

Murnau, Wallfahrtsstätte Vier Linden, Aussichtspunkt Am Eichholz, Froschhausen, Mesnerhauskapelle bei Aidling. Erkenntnis: Weite und Weitsicht, Höhe und Überblick

Text auf Stele 7 beim Platz mit den Vier Linden: „Wir sind eingeladen, uns an die Linde anzulehnen, dem ruhigen Fluss unseres Atems zu folgen, zu spüren, wie unser Herz sich öffnet und im Einklang schlägt mit dem Takt der Natur.“ Ich habe mich intuitiv angelehnt. 🙂

Unser dritter und letzter Wandertag beginnt in Murnau. Wir gehen Richtung Schlossmuseum, von da aus zu einer Wallfahrtsstätte mit vier mächtigen Linden. Eine Tafel berichtet vom Tränenwunder Anfang des 19. Jahrhunderts. Die „Vier Linden“ waren auch Motivplatz für die alte Hinterglasmalerei und frühe Photographie. Wassily Kandinsky schuf hier 1908 die „Landschaft mit Turm“ (Lindenburg).

Stele 7: „In alten Zeiten war die Linde Ort der Gerichtsbarkeit. Man sagte ihr nach, sie sei der rechte Baum zur Wahrheitsfindung. Die Linde mit ihren herzförmigen Blättern galt als Baum der Liebe, der Wahrheit, des Trostes und der Linde-rung. Ein Tee von ihren Blüten wirkt fiebersenkend und schmerzlindernd.

Weiter geht es in Murnau zum „Aussichtspunkt Am Eichholz“. Von hier oben haben wir einen fantastischen Blick auf Riegsee und Froschhauser See, zu dem wir dann auch aufbrechen. In Froschhausen passieren wir die Leonhardikirche, seit alters her eine Wallfahrtskirche. Alljährlich am 6. November, am Tag des Hl. Leonhard, dem Schutzpatron der Angeketteten und Gefangenen, später auch der Pferde, findet die Froschhauser Leonhardifahrt mit Pferdeprozession statt, bei der die Tiere – vom Pony bis zum Kaltblut – gesegnet werden. Stele 8 neben der Kirche lädt zum Innehalten und Meditieren ein.

Vorbei am Riegsee gehen wir Richtung Aidling und erreichen nach einer Stunde das Schild zur Mesnerhauskapelle, darunter das brennende goldene Herz auf blauem Hintergrund, das Wiedererkennungs-Logo auf dem Meditationsweg. Ein letzter kurzer Anstieg, dann sind wir oben bei der kleinen, weißen Kapelle mit spitzem, schindelgedecktem Türmchen. Wir genießen den Ausblick auf das Blaue Land unter weiß-blauem Himmel und eine wohlverdiente Rast.

Hier, wo die Kapelle steht, soll einst eine Kultstätte der keltischen Frühlingsgöttin Ostara gewesen sein. Das Fest der Ostara fand um die Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche am 21. März statt. Ostern leitet sich von Ostara ab. Ostara versinnbildlicht das Erwachen der Natur, die Wiedergeburt und das Wachstum. Sie ist die Göttin der Fruchtbarkeit und des Ackerbaus und bringt Licht, Wärme und Energie in die Welt.

Mesnerhauskapelle bei Aidling. Foto: Ute Hopfengärtner

Dankbar und zufrieden inhaliere ich an diesem ehemals heidnischen, heiligen Ort die klaren Farben, die gesunde Luft, die wohltuende Gemeinschaft, das Reine, Leichte und Ursprüngliche des Seins. Drei (Schnupper-)Tage zu Fuß auf dem Meditationsweg im Blauen Land haben mich mir selbst wieder nähergebracht und meinen Kopf freier und leichter gemacht. Konfuzius hat recht: „Wohin du auch gehst, geh mit deinem ganzen Herzen!“ Ich würde noch ergänzen: „Geh mit deinem ganzen, d.h. flammenden Herzen, aber geh!

P.S. Vielen Dank an alle (inklusive Hund Disco), die mit mir unterwegs waren. Auch dem Wettergott, der an allen drei Tagen mitgespielt hat, sei gedankt.

Die Pressereise fand vom 3.-7. Juni 2024 statt. Dazu eingeladen hatte die Tourismusgemeinschaft Das Blaue Land.

Literatur und weiterführende Links

Unter meditationsweg.bayern können Sie die Meditationsbroschüre mit Wegbeschreibung und Kartenmaterial bestellen. Auf der Seite finden Sie auch Infos zu geführten Wanderungen und individuellen Terminen.

Das Blaue Land, c/o Ammergauer Alpen GmbH, Murnau

Uhrig, Sandra: Der Blaue Reiter: Eine Hommage

Schifffahrt auf dem Staffelsee mit Mondscheinfahrten

5 von 12 Stelen auf dem Meditationsweg

Zum Lesen der Texte bitte anklicken!

3 Gedanken zu „Meditatives Wandern im Blauen Land“

  1. Der Artikel und die Fotos sind sehr inspirierend, ich habe mir vorgenommen, zumindest eine Etappe des Weges kennenzulernen. Herzlichen Dank!

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  2. Danke für Ihren tollen Artikel! Obwohl ich hier im Blauen Land wohne, motivieren mich Ihre Beschreibungen, mir bekannte und auch noch nicht bekannte Wege nochmals zu gehen oder neu zu entdecken. Zwar ohne Wanderhund Disco, aber mit meinem Wander-Dackel 😉

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