Braucht es diese Bräuche?
Von wegen Schtaadä Zeit und besinnliche Weihnacht
Od*Chi habe ich 2007/08 bei einer Alpenschamanischen Rauhnacht auf dem Predigtstuhl im Berchtesgadener Land kennen gelernt. Dass es hierzulande Alpenschamanen und Perchtenläufe gibt, weiß ich erst, seit ich ein Jahr lang oberhalb von Waging am See mit Blick auf den Waginger und Tachinger See und auf den Untersberg wohnte.
Hier in den Berchtesgadener- und Chiemgauer-Alpen ist Od*Chi – mit bürgerlichem Namen Christian Enderlein – allein oder mit Leuten, die ihn privat buchen, unterwegs. Er ist ein Naturbursch‘ und Naturkünstler, ein bayuwarischer Bergfex und Barde, autodidaktischer Obertonmusiker, kennt Feuerrituale, Runen und Mandalas, macht Schwitzhütten und hält im Salzheilstollen in Berchtesgaden Konzerte und noch vieles mehr, also ein echter bayrischer Urwurz, wie auch seine Homepage heißt.
Od*Chi’s Lieblinx~Motto ist „G´schmeidig bleim“. Gschmeidig ist auch eins meiner Lieblingsworte!
Zum Neuen Jahr hat Od*Chi einen kritischen (Rück-)Blick auf die „Schtaadä Zeit“, auf Weihnachten, die Rauhnächte und Böllerei zum Jahreswechsel geschrieben, der mir aus dem Herzen spricht und den ich veröffentlichen darf.
Hier nun der Gastbeitrag von Od*Chi
„OM am Berg, do is so schee,
OM am Berg, i so gern schteh!
OM am Berg gähd ma as Herzal auf!
OM am Berg, do wui i nauf!“
Sodala, jetzt ist sie wieder rum, die sogenannte „Schtaadä Zeit“ und wie Karl Valentin so schön gesagt haben soll: „Wenn die Schtaadä Zeit wieder vorüber ist, kehrt auch wieder Ruhe ein.“
So ist es auch mal ein guter Anlass, auf diese Tage, die so gar nicht dem ursprünglichen Sinn und schon gar nicht im Einklang mit der Natur sind, zurück zu blicken und darüber zu reflektieren. Im Großen und Ganzen kann ich jedenfalls über diese bizarren, unsinnigen Umtriebe und Bräuche der urbanen Gesellschaft nur noch den Kopf schütteln.
Samhain und „Hochzeit des Konsums“
Kaum ist der neumodische Horrorfasching Halloween, der so rein gar nichts mit dem ursprünglichen Ahnenfest Samhain gemein hat, vorbei, fängt der Konsumwahnsinn und Werbefeldzug für das sogenannte Fest der Liebe an, was eigentlich nur noch die “Hochzeit des Konsums” genannt werden kann und rein gar nichts mehr mit der tatsächlichen Weihnachtsgeschichte zu tun hat. Und die Liebe bleibt da in den meisten Fällen gänzlich auf der Strecke. Alle Protagonisten der Geschichte in Bethlehem waren jedenfalls bettelarm und hatten gar nur eine Notbehausung. Geschenke gab’s dann erst mit der Ankunft der Drei Könige, weshalb sich für mich eh die Frage stellt, wieso nicht erst dann, wie z.B. in Spanien gehandhabt, Geschenke verteilt werden? Andererseits vielleicht auch gut so, sonst hätten wir womöglich noch ein Konsum-Orgienfest mehr im Kalender…
Inflationäre Email-Schwemme
Jedenfalls ist es in dieser Adventszeit immer wieder unglaublich lästig, dass das Email-Postfach ständig mit inflationär auftretenden Werbemails und dringlich aufgedrängten Rabatt-Angeboten überschwemmt wird, sodass es schwer fällt, überhaupt noch die wirklich wesentlichen Nachrichten dazwischen herauszufiltern. Wie oft man in dieser Zeit scheinbar seine allerallerletzte Chance verpasst, geht echt auf keine Kuhhaut. Was hat das bitte mit dem vermeintlichen Geburtstag von Jesus zu tun? Gar nichts!
Kaum ist dann das große Geburtstagsfest erreicht, schwappen wiederum unzählige Weihnachtsgrußbotschaften, an Alle gerichtet, herein. Wobei ich mich da ehrlich gesagt frage, was für einen Sinn das bitte haben soll und ob es sich dabei nicht irgendwie um eine Alibi-Aktion handelt, dies zu tun?
Wenn, dann schreibe ich doch die Leute, die mir wirklich am Herzen liegen, persönlich an und auch nur jene, die das tun, bekommen von mir eine Antwort zurück. Diese An-Alle-Grüße mit viel Blinki-Blinki-Dschinglbells-Gedöns werden von mir jedenfalls gnadenlos gelöscht und ich bin wohl gewiss nicht der Einzige, den sie einfach nur noch nerven. Mag ja gut gemeint sein, aber es sind einfach definitiv viel zu viele.
Mag vielleicht bei jemanden wie mir, den sehr viele Leute (vermeintlich) kennen, ein größeres Ausmaß haben, aber betroffen dürften davon wohl Viele sein. Und Etliche davon mögen dadurch sogar in eine Art Zugzwang geraten, dass sie doch jetzt eigentlich auch so etwas schicken müssten oder zumindest den Zusendern zu antworten hätten… also zu dem ganzen Stress noch einer mehr… für was?
Ja und kaum sind die Weihnachtstage rum, kommt die nächste Email- und- Messenger-Welle daher und es rutschen jede Menge Gute-Rutsch-Nachrichten herein, die dann gleich darauf, ebenso inflationär von Gute-Neujahr-Grüße abgelöst werden. Natürlich auch wieder an Alle…
Ist für mich auch deshalb komisch, weil für einen indigenen, bajuwarischen Naturmenschen, als der ich mich wahrnehme, die Wintersonnenwende den einzig relevanten Jahreswechsel darstellt und für mich der Römerkalender und die darin als wichtig erachteten Festivitäten Wiesbaden sind… also nicht Mainz… 😉
Womit ich den Römern auch stets 10 Tage voraus bin. 😀
Böllerorgien der Weihnachtsschützen
Dem Fass den Boden aus schlagen jedoch die irrsinnigen Knallbräuche, die hier im Berchtesgadener Land (BGL) durch die sogenannten Weihnachtsschützen mit ihren Böllerorgien noch häufiger Tier und feinfühligen Mensch zusammenzucken lassen, als anderswo.
Da bekommt der Begriff „Stille Nacht“ eine ziemlich absurde Note, wenn Nachmittags um 3 und dann immer wieder bis in die Nacht hinein, das „Christkindl angeschossen“ wird. Ein Brauch, den es für mein Empfinden einfach nicht braucht und der auch ganz und gar nicht ein alter Brauch ist, sondern seinen Ursprung im 18. Jahrhundert, mit einem martialisch-militärischen Hintergrund, hat.
Es überrascht mich eh jedes Jahr aufs Neue, dass dies, wo doch sonst der Tierschutz in Deutschland stets so hoch gehalten wird, überhaupt noch akzeptabel ist und erlaubt wird. Aber womöglich fließen da entsprechende Gelder, dass darüber Stillschweigen gewahrt wird. Jedenfalls ist es für alle Tiere, Kriegsgeschädigten und Hochsensiblen eine Zeit des Horrors und eine unsägliche Zumutung. Zumal das ja auch oftmals unvermittelt los geht und somit höchst gefährlich sein kann, wenn dadurch etwa ein Pferd scheut und den Reiter/die Reiterin womöglich abwirft. Aber an sowas denken diese Ballaballamänner (soweit ich weiß, sind es nur Männer…) ganz sicher nicht und bekunden dazu lapidar:
„Dees hamma scho immer so gmacht und so werds ah bleim!“
Also keine Diskussion… wobei hierbei ja irgendwie „immer“ schon eine äußerst kurze Zeitspanne beschreibt…
Für mich als Musiker, mit einem sehr feinen Gehörsinn, ist es jedenfalls nicht nur eine Zumutung, sondern grenzt auch an Körperverletzung. Wer einmal keine 100 Meter von solchen Böllerschützen entfernt war, der weiß, welch krasser, heftiger und regelrecht stechender Knall das ist, der wirklich in den Ohren weh tut und zugleich, beim ersten Knall, das Herz vor Schreck springen lässt, was für Menschen mit schwachem Herz sicherlich auch nicht zuträglich sein dürfte.
Und ich frag mich da jedes Mal, ob die Böllerschützen danach überhaupt noch etwas hören. Zudem habe ich auch den Eindruck, dass sie Jahr für Jahr immer noch mehr Anlässe finden, ihre ach so tollen traditionellen Böllerorgien abzufeiern.
Feuerwerkswahnsinn zu Silvester
Abgelöst wird das Ganze dann mit dem ganzen Feuerwerkswahnsinn zu Silvester, wobei da ja inzwischen kaum mehr erkennbar ist, wann es denn überhaupt tatsächlich 12 Uhr Mitternacht ist, zumal damit ja schon mindestens 3 Tage vorher angefangen wird und sich immer mehr steigert. Auch im Nachgang muss man immer wieder mit Knallern rechnen, selbst 3 Tage danach.
Die Leute haben einfach nach wie vor zu viel Geld und verpulvern Millionen für ein kurzes Licht- und Knall-Spektakel, wo es anderweitig viel dringender gebraucht werden würde. Aber sonst dann jammern, dass Alles so teuer wird.
Ja und wenn man dann so schaut, welches Desaster solche Silvesternächte anrichten, wie viele Tote und Verletzte es gibt, wie viele Brände und Sachschäden, wie viele Unschuldige damit behelligt werden, wie viele Tiere in Angst und Schrecken versetzt werden und wie viel Stress die Polizei hat und in regelrechte Kriegsszenarien verwickelt wird, dann fragt man sich wirklich, wie so etwas überhaupt noch erlaubt sein kann? Da werden doch auch alle extrem strengen Brandschutzverordnungen, mit denen die Leute übers Jahr drangsaliert werden, über den Haufen geworfen. Da fragt man sich auch, was die ganzen Verordnungen zum Immissionsschutz bringen sollen, wenn in einer Nacht die Werte dermaßen in die Höhe schießen und alles Andere diesbezüglich bagatellisieren.
Absurder geht es nicht mehr, in diesem Lande Absurdistan
Dann folgt hier im Berchtesgadener Land auch noch der Neujahrsmorgen mit nicht enden wollendem Dauergeböller. So stellt man sich wohl jedenfalls nicht das Neujahr vor und man hat nur noch das Gefühl, als wäre man mitten im Krieg. Besonders für Menschen, die einen Krieg (üb)erlebt haben, wohl der blanke Horror.
An Ausschlafen ist bei dem Radau auch nicht zu denken, in aller Herrgottsfrüh geht’s los mit dem Radau. Da braucht mir echt keiner mehr erzählen, was für eine tolle Tradition das sei…
Was uns indigenen Menschen, wozu ich mich definitiv zähle, einfach nur noch Kopfschütteln bereitet, ist, wie es der urbane Mensch doch immer wieder glorreich schafft, gegen die Natur zu leben.
Schaut Euch die Natur an, sie hat sich zurück gezogen, ist ruhig
Im Wald ist es still. Bei den indigenen Völkern ist jetzt der Mond der Rast und Reinigung. Hier ist Stille, innere Einkehr und Reflexion das Thema und nicht Halligalli-Heiterkeit und Rumgeballer.
Zumal ja jegliche Art von Knall-Bräuchen auf Angst basiert, was übrigens auch für die Perchtenläufe und ihre von der Kirche okkupierten Kramperlläufe gilt.
Die Menschen früher fürchteten sich vor Winterdämonen und der Wilden Jagd und kreierten Bräuche, um diesen Einhalt zu gebieten und sie fern zu halten von Haus und Hof. Man durfte keine Wäsche waschen, aus Angst, die Wintergeister würden sich in der Wäsche verfangen, man musste jede Nacht räuchern, damit sie fern bleiben.
Das Alles ist in Resonanz mit der Angstfrequenz und die Frage ist, was man denn damit kultivieren will, wenn man sie wieder aufleben lässt? Ich jedenfalls habe keine Angst vor Winterdämonen oder dergleichen, also muss ich sie auch nicht vertreiben.
Ja, ich räuchere auch in den Rau(c)hnächten, aber nicht, um Böses fern zu halten, sondern Zuträgliches anzuziehen und zudem haben dann die Wohnräume auch einen angenehmen Geruch und fühlen sich energetisch gereinigt an. Das kann ich aber auch zu anderen Zeiten machen und muss das nicht, nach strengen Vorgaben, die sich meistens auch irgendwer zusammengereimt hat und als Dogma deklariert, einhalten. In diesen ganzen Bräuchen ist mir viel zu viel Zwang und schwingt deutlich zu viel Angst mit. Das ist nicht meine Religion und nicht meine Welt. Nein Danke!
Was die Perchtenbräuche betrifft
Sofern sie noch kultische Tänze um Frau Perchta sind und ohne den kirchlichen Kodex auskommen, kann ich sie als alte, heidnische Bräuche, die unserer Gegend entstammen, respektieren. Da gibt es wirklich einige Gruppen, die da akribisch nachforschen und deren Auftritte dann auch wirklich Tiefgang haben. Das kann ich durchaus begrüßen.
Wenn aber Kramperlhorden mit einem Nikolaus durch die Straßen ziehen und wild um sich herum dreschen, dass insbesondere junge Frauen nur noch Angst bekommen, dann zielt das deutlich an den ursprünglichen Gebräuchen vorbei. Zumal, wenn diese Gruppen von Haus zu Haus ziehen und überall ein Schnapserl bekommen, wird dem Alkoholismus auch hier wieder Tür und Tor geöffnet. Und von solchen alkoholisierten, maskierten Jugendlichen möchte ich ehrlich gesagt keinen Segen für mein Haus bekommen. Nein Danke!
Da sind mir dann drei kleine, verkleidete Kinder in Königsgewändern, die mir ein Liedchen singen, schon deutlich genehmer und darauf freue ich mich auch und hoffe, dass ich zu Hause bin, wenn sie an meine Tür klopfen. Wobei auch hier schon wieder völlig gaga ist, dass da kein schwarzgefärbtes Gesicht mehr dabei sein darf. Die Cancel-Culture kennt auch überhaupt keine Grenzen mehr und wird auch immer grotesker… da kann man sich echt nur noch ans Hirn langen.
Mit dem Dreikönigstag sind dann die Rauhnächte offiziell vorüber
Doch irgendwie konnte ich die Rauhnächte, nicht nur in diesem Winter, nur selten als solche, in ihrem ursprünglichen Sinn, wahrnehmen. Vielleicht noch die Tage von der Wintersonnwende bis Heilig Abend, wo es noch stiller rund ums Haus ist, bevor der Radau richtig los geht, vielleicht auch noch die Tage zwischen Neujahr und Dreikönig, wo es auch wieder ruhiger wird. Doch so wirklich diese Qualität, die für mich die Rauhnächte haben sollten, beginnt meiner Wahrnehmung nach – und das schon seit einigen Jahren – nach dem Dreikönigstag.
Da wird es wirklich still und niemand will irgend etwas, ich muss nirgendwo hin, habe keine Termine und kann wirklich mal so richtig, ohne Ablenkung von Draußen, bei mir sein. Und wenn ich so still werde und durch den stillen Wald gehe, fühle ich mich wirklich im Einklang mit der Natur.
Somit wünsche ich Euch Allen, die das bis zu Ende gelesen haben, eine ruhige, entspannte Post~Schtaadä~Zeit…“
Gschmeidige Grüße
Od*Chi am 2. Januar 2025
Über den unsinnigen Weihnachtsbaumkult, bei dem man den Bäumen beim Sterben im Wohnzimmer zuschaut, hat Od*Chi auf seiner Seite noch eine Ergänzung geschrieben, die auch ganz in meinem Sinne ist.
Wer Od*Chi live erleben möchte: Er musiziert alljährlich im Salzheilstollen Berchtesgaden zusammen mit der Jodlerin und mystischen Musikerin Brigitte Lienbacher, alias „Bergkristall“, aus dem Pongau. Zusammen nennen sie sich „Od*Kristall“.
Mehr Infos über ihr Projekt. Etwas zum Anhören.
Ansonsten kann man Od*Chi zum Wandern, für Schwitzhütten, Feuerrituale etc. über seine Seite kontaktieren und buchen.