
„Verletzte Schönheit“ oder:
Wo das Schöne verwundet ist,
beginnt das Wirkliche zu sprechen.
Reflexion zur Ausstellung von Helmut Pfeuffer im Buchheim Museum
Ein Ausflug ins Buchheim Museum in Bernried am Starnberger See, rund 45 Kilometer südlich von München, ist zu jeder Jahreszeit schön, erst recht bei trübem (Regen-)Wetter. Und wenn die Sonne lacht, ist der nächste Strand nicht weit entfernt und der Alpenblick beim Baden garantiert.

Schönheit war für mich bisher (und ist es immer noch) etwas Harmonisches, Friedliches, Ästhetisches, Edles, fast schon übernatürlich Transzendentes, Heiliges: harmonische Gesichtszüge, ein freundlicher, gütiger Mensch, ein proportional wohl geformter Körper, eine aufrechte Haltung, ursprüngliche Landschaft, unberührte Natur, gesunde Pflanzen und Blumen, Vogelzwitschern, Meeresrauschen, all das und noch viel mehr ist für mich der Inbegriff von Schönheit. All das zieht mich an, versetzt mich in eine positive Stimmung, schenkt mir Freude und spendet oft auch Trost. Ganz im Sinne Fjodor Dostojewskis, der sagte „Die Schönheit wird die Welt retten“ und damit nicht allein äußerliche Schönheit, sondern eine tiefe, seelische Schönheit als moralische Kraft meinte.
Nun wurde ich aber in der aktuellen Ausstellung „Verletzte Schönheit“ im Buchheim Museum am Starnberger See eines anderen belehrt. Rund 30 Bilder zeigen figürliche und landschaftliche Motive, die Helmut Pfeuffers Sicht der vielschichtigen Realität durch fünf Jahrzehnte ausdrücken und gleichzeitig eine Innenschau des Malers offenbaren. Wie innen, so außen, könnte man sagen.
„Ich male einen Baum oder ein Feld, und es ist,
als machte ich ein Gedicht über das Feld und ein Lied über den Baum.“
Helmut Pfeuffer
Es sind farblich kraftvolle, sinnlich-erotische, auch verstörende Motive. Stürze und Krankheit hat er thematisiert: ein kranker, absterbender Baum; ein kranker Mann – Sinnbild des verletzten Künstlers? – und brennende Felder – Sinnbild für die Ausbeutung der Natur? Die Schönheit des Morbiden und der unverstellten Nacktheit ist allgegenwärtig. Immer wieder auch weibliche Leiber, zum Beispiel Lilith, Adams ungezähmte Frau vor Eva, eine nackte Frau im Sessel mit High Heels, Alma/Erdbraut aus dem Mahler-Zyklus (Pfeuffers Hommage an den Komponisten Gustav Mahler) und Paare nach dem Liebesakt, Himmel und Hölle, Hysterie und Pieta. Abgründe und Gegensätze, die nebeneinanderstehen und -hängen und den Finger in die Wunde(n) legen. Nur in welche?
Gefällt mir das? Baut mich das auf? Inspiriert mich das?
Auf jeden Fall regt es mich zum Nachdenken über die Fragilität von Schönheit in der Wirklichkeit und Kunst an. Einige Fotos der Ausstellung habe ich in meinen WhatsApp-Status gestellt und erhielt darauf zwei Feedbacks, das erste von einer befreundeten Malerin: „Lauter kranke Menschen … widerspiegelt sich in ihm, sonst könnte er es nicht malen. Er muss mal seeehr verletzt worden sein.“ Eine andere kunstinteressierte Freundin schrieb: „Sieht interessant aus!“
So unterschiedlich diese beiden Kommentare sind, so drücken sie doch eines aus: „Verletzte Schönheit“ ist kein Widerspruch. Sie ist ein Appell an den Blick hinter die Oberfläche. In der Spannung zwischen Anziehung und Schmerz, Harmonie und Bruch offenbart sich ein tieferes Verständnis von Menschlichkeit, Vergänglichkeit und ästhetischer Wahrheit. Verwundbarkeit als Ausdruck von Wahrheit. Wo das Schöne verwundet ist, beginnt das Wirkliche zu sprechen.
Bleibt die Frage, was wirklicher ist: das Kranke oder das Schöne? Das kann nur jede/r für sich selbst entscheiden, was sie/er in ihrem/seinem Leben ver-wirk-lichen will.
„Die Geschichte der Kunst, seit etwa der Renaissance, ist die Geschichte der Spaltung des Menschen von der Natur. Sie ist auch die Geschichte der Ausbeutung des Menschen und der Natur.“
Helmut Pfeuffer
In diesem Sinne war für mich auch noch interessant zu erfahren, dass Helmut Pfeuffer sich vor rund 20 Jahren aus dem Kunstbetrieb zurückgezogen hat und gerne kocht. So stellen diese Werke wohl eine Phase seines künstlerisch aktiven Lebens dar, mit der er seinen Frieden geschlossen hat und noch mit 92 Jahren zu Ruhm und Ehren kommt.
Die Ausstellung ist bis zum 16. November 2025 zu sehen.
Öffentliche Führungen: 3.8., 28.9., 19.10., 9.11., jeweils um 15 Uhr.
Die Teilnahme an den Führungen kostet 5 € zuzüglich zum Eintritt.
Rechts: Autorin Jutta Keller vor dem Bild „Kelaino“, einer griechisch-mythologischen Figur, eine der sieben Plejaden oder Atlantiden
P.S.
Wen es nach diesem kunstkritischen Exkurs noch in die weite Welt bis nach Palau (Südsee bzw. Mikronesien) zieht, der kann sich im Buchheim Museum in die Bilderwelt von Max Pechstein „Vision und Werk“ vertiefen. Zu sehen bis zum 26. Oktober 2025. Pechstein (1881-1955) und Pfeuffer (geboren 1933) – ein faszinierender Vergleich der Arbeiten zweier bedeutender deutscher Expressionisten, getrennt durch einen Generationsabstand von rund 50 Jahren.
Einen früheren Artikel über das Buchheim Museum lesen Sie hier.
Liebe Jutta,
danke für deinen Bericht über die Ausstellung „Verletzte Schönheit“!
Ja, interessant, wie meine Psyche darauf reagiert hat. Ich konnte mir die Bilder nicht anschauen. Sie verstören mich zutiefst, sie erschrecken mich. Schade, denn sie sind mit großer Feinheit gemalt, bestimmt mit ausgefeilten Techniken, mit einer großen Botschaft dahinter. Ich glaube, man muss sehr stark sein, wenn man in die Bilder eintauchen möchte, wenn man sich auf sie einlassen will.
Nach einem langen Leben, in dem ich viel Kunst gesehen, viel erlebt, viel Verständnis entwickelt habe, suche ich nach den im landläufigen Sinn „schönen“ Kunstwerken, da will ich mehr davon, mich versenken, da genieße ich den Zustand des Enthusiasmus. Ich möchte mich erheben lassen und nicht am Leid der Menschheit verzweifeln.
Den Finger in die Wunde zu legen ist sicher wichtig, ich weiß aber nicht, wie weit das gehen soll. Die Wahrheit mit Drama oder einem Augenzwinkern zu zeigen: super. Auch Satire kann herzerfrischend sein.
Wahrscheinlich braucht es immer auch den Gegenpol in dieser dualen Welt.
Ins Buchheim-Museum gehe ich gern zu einer der nächsten Ausstellungen…
Soweit, liebe Jutta, meine Gedanken zur Schönheit in der Kunst. Ich finde es gut, dass du das Thema aufgegriffen hast!
Bin selber keine Künstlerin und kann deshalb auch gar nicht in diese tiefen Tiefen eintauchen, rede also nur aus der Sicht des ganz pragmatischen, aber auch ganz empfindsamen Menschen.
Alles Liebe, mit Herzensgrüßen,
Elisabeth