Die Ismaninger Speicherseen,
unbekanntes Paradies vor den Toren Münchens
Fragen Sie mal bei Ihrem nächsten München-Besuch einen Einheimischen nach den Ismaninger Speicherseen. Wo diese liegen, wie groß sie sind, wozu sie überhaupt existieren und wie Sie dort hinkommen? Ich wette, Sie bekommen wenig zu hören, ernten Unverständnis oder man schickt Sie gleich zum Ornithologen, weil Sie anscheinend einen Vogel haben. Wobei das mit den Vögeln gar nicht so abwegig ist, denn die riesengroße Wasserfläche ist einer ihrer wichtigsten Mauser-, Rast- und Überwinterungsplätze und schon seit 1962 Europareservat. Ein Ausflug zu den Seen lohnt sich auf jeden Fall, selbst im tiefsten Winter, da man dort auf einem Deich fast mutterseelenallein entlang spazieren kann und einen ähnlich weiten Blick wie an der Ostsee hat.
Zugegeben, auch ich als gebürtiger Münchner kannte den Stausee im Nordosten von München am Südrand des Erdinger Mooses zwischen Ismaning, Aschheim, Kirchheim, Pliening und Finsing kaum. Zwar fuhr ich mit dem Auto oft genug an ihm vorbei, doch ein Grund für einen Besuch dieser „Zweckbauten“ kam mir seltsamerweise nie in den Sinn. Vielleicht weil ich mit ihnen Abwässer etc. assoziierte. Denn über fast vier Jahrzehnte war der Speichersee die „biologische“ Klärstufe für das Münchner Abwasser und steht auch heute noch mit den Abwasserfischteichen in engem Wechselbetrieb.
Doch die liebe Jutta, eine aus der Pfalz Zugereiste oder „Zugroaste“, wie man hier sagt, ließ nicht locker, fabulierte immer mal von einem Deich in der Nähe von München, den sie schon in den 1980-er Jahren kennen gelernt hatte und den sie wieder sehen und begehen wollte.
Gleich hinter dem imposanten Wasserkraftwerk in Neufinsing lag er dann endlich vor uns, unendlich weit und riesengroß: Mit einer Länge von ca. 7,5 Kilometern sind die beiden Seen größer als der Tegernsee, ihre Fläche beträgt immerhin 580 Hektar. Nur tief sind sie mit durchschnittlich 1,90 Metern nicht gerade. Dafür stehen sie unter Naturschutz. Es darf weder gebadet, noch sonst irgend eine Art von Wassersport betrieben werden. Zumindest nicht von Menschen, die dürfen nur vom Rand aus zusehen, wie sich Heerscharen von fliegendem, schwimmendem und tauchendem Federvieh ganzjährig ein Stelldichein geben.
In Vogelkreisen hat sich herumgesprochen, dass 1929 rund 25 Kilometer nordöstlich von München auf ihrem Weg gen Süden bzw. zurück in den Norden ein Areal angelegt wurde, das sich zu einem Paradies für viele mausernde, rastende und brütende Vogelarten entwickelt hat und vielleicht auch noch für Fische, von denen es stattliche Exemplare geben soll.
Der Mensch kommt dennoch nicht zu kurz und muss nicht mal Angler oder Vogelkundler sein. Es genügt, wenn er Nord- und/oder Ostsee-Fan ist, dann reichen für die gelungene „Meeres-Simulation“ etwas Fantasie und vielleicht noch kräftiger Wind aus. Weite, Wind und Wasser, allerdings kein salziges, dafür ein 7,5 Kilometer langer Deich, auf dem man ungestört wandeln darf. Das sind die für Bayern und vor allem für München exotischen Zutaten, die das Gebiet so attraktiv machen. Münchner Hinterland mit Meer-Feeling.
Ob es nur zu wenige kennen oder der zugängliche schnurgerade nördliche Damm zu langweilig ist – außer gelegentlichen Joggern oder Spaziergängern gibt es hier so gut wie keine Touristen, nur ambitionierte Hobby- und Berufsvogelkundler, die mit Stativ und Spektiv, einem Beobachtungsfernrohr, ausgerüstet sind. Fußgänger sollten beachten, dass es keine Einkehrmöglichkeit an den Seen gibt und noch nicht einmal Abfalleimer. Ein Rundweg in Wassernähe existiert nicht, da sich auf der Südseite die ehemaligen Fischteiche befinden und man diese auf Feldwegen passieren muss. Für passionierte Spaziergänger, die Zeit und Kondition mitbringen, kann aber auch dies reizvoll sein.
Am interessantesten finde ich einen Besuch im Winter, wenn die Seen teilweise zugefroren und die Bäume voller Reif sind. Dann sitzen tausende Enten und Schwäne auf großen, freien Wasserflächen, die wohl durch die Einleitung des gereinigten Wassers aus Münchens Kläranlage auch in langen Frostperioden nicht zufrieren.
König Ludwig II. hätte an so vielen Schwänen und dem winterlichen Blau wahrscheinlich seine Freude gehabt und die Seen zu seinen „Schwanenseen“ erkoren. Titel wie „Europareservat“, „Ramsar-Gebiet“, „Feuchtgebiet Internationaler Bedeutung“, „EU-Vogelschutzgebiet“ sowie „Important Bird Area“ haben sie ja schon.
Der westliche Speichersee ist für mich der attraktivere. Er ist auch der größere der beiden Seen, die durch einen Damm und ein Wehr voneinander getrennt sind. Leider ist der Deich entlang des westlichen Sees nur an Wochenenden und Feiertagen in seiner vollen Länge begehbar. Denn die BMW AG betreibt gleich nebenan ein Mess- und Testgelände und will an Werktagen neugierige Erlkönig-Jäger fernhalten. Was für Prototypen gut ist, schützt in diesem Fall gleichzeitig Vögel – eine seltene Symbiose.
Die Ornithologische Gesellschaft in Bayern e.V. veranstaltet 2017 drei Exkursionen in das Europareservat Ismaninger Speicherseen, die Manfred Siering leitet. Gäste sind willkommen. Hier die Termine:
Samstag, 11.03.17 – Winterexkursion
Treffen: 8 Uhr, Kiosk S-Bahnhof Ismaning. Dauer: ca. 4 Stunden
Montag/Feiertag, 01.05.17 – Frühjahrsexkursion
Treffen: 6 Uhr, Kiosk S-Bahnhof Ismaning. Dauer: ca. 7 Stunden
Sonntag, 17.09.17 – Herbstexkursion
Treffen: 8 Uhr, Kiosk S-Bahnhof Ismaning. Dauer: ca. 5 Stunden