Oberitalien: Lago Maggiore

Cultura e Musica am Lago Maggiore: Il Lago Cromatico

„Luci ed Ombre“ – „Licht und Schatten“ in Angera

 

Der Lago Maggiore – auch Lago Verbano oder Langensee genannt – ist für viele, die nördlich der Alpen beheimatet sind, ein Sehnsuchtsziel. Nicht allein wegen seines mediterranen Klimas, der Flora und Fauna, seiner Düfte (suoni) und Farben (colori), sondern auch wegen seiner Kunst und Kultur, wozu natürlich auch die Esskultur mit ihren Geschmacksnuancen (sapori) zählt.

Wortwörtlich übersetzt heißt Lago Maggiore „See Mehr“, was wohl so zu verstehen ist, dass er „mehr als nur See“ ist. Und das stimmt auch. Denn der Kontrast von teils schneebedeckten Hochalpen im Hintergrund und subtropischen Parks und Gärten ist schon etwas Besonderes. Wobei natürlich auch die anderen großen und kleinen oberitalienischen Seen, so unterschiedlich jeder von ihnen ist, ihre Reize haben, selbst im Winter.

Silvester am Lago Maggiore

Bei einem Exil-Saarländer, der schon seit seiner Kindheit am lombardischen Ostufer des Lago Maggiore lebt und auch Journalist ist, hatten wir schon mal Silvester verbracht. Am Neujahrstag zeigte er uns das hübsche Städtchen Angera, die entlaubten Bäume entlang der Seepromenade und die vielen Gänse. Bei nasskalten Temperaturen umrundeten wir den Lago di Commabio zu Fuß und tranken einen warmen Cappuccino im Ristorante „Lago dei Cigni“ (Schwanensee). Auch einen Berg erklommen wir hoch über Laveno Mombello, hatten aber keine Fernsicht, nur dichte wabernde Nebelschwaden. Ja, am Lago Maggiore kann’s auch im Winter ganz schön ungemütlich sein.

„Dolce far niente“ im Sommer

Im Juli haben wir unseren Bekannten wieder besucht, in seinem großen Haus gewohnt, im Garten unter Palmen gegrillt und mit ihm die Gegend auf dem Rad erkundet. Wir waren im Lago Maggiore und im kleineren Lago di Monate schwimmen, „dolce far niente“ eben, „süßes Nichtstun“ mehr oder weniger. Alles gut und schön. Tutto bello.

Auch mein Besuch zweier Borromäischer Inseln – der Isola Bella und Isola Madre – mit ihrem Glanz und ihrer Gloria vergangener Zeiten war beeindruckend und ist einen eigenen Beitrag wert. Mit Fährüberfahrt und Eintrittsgeldern für die Inseln jedoch kostspielig, ganz abgesehen von den Touristenscharen. Sehenswert vor allem auch „Santa Caterina del Sasso“, ein Eremiten- und Wallfahrtskloster in Leggiuno.

„Luci e(d) Ombre“ – eine musikalische Reise unter Sternen

Mein persönliches Highlight am Lago Maggiore war jedoch ein kulturelles. Das verdanke ich vor allem Rossella Gnocchi, der hilfsbereiten und sympathischen Dame in der Touristeninformation in Angera am Seeufer. In wohlklingendem Deutsch machte sie mich auf das Open Air Konzert „Luci ed Ombre“ am 15. Juli um 21:30 Uhr aufmerksam. Man beachte den feinen Unterschied: In einem Prospekt hieß es „Luci e Ombre“, also „Licht und Schatten“, in einem anderen „Luci ed Ombre“, etwas vieldeutiger „Licht- und Schattenseiten“.

Ich wollte unbedingt zu dem Konzert, denn angekündigt war „un viaggio tra le musiche dei Vivaldi, Mozart, Paganini, Chačaturjan, Bartok, Piazzolla e la tradizione popolare“, eine Reise durch die Musik bekannter und weniger bekannter Komponisten und das alles bei freiem Eintritt. Meine beiden Begleiter konnte ich glücklicherweise davon überzeugen und so fanden wir uns rechtzeitig auf der bezaubernden Piazzetta Ex Sama in der Via Mario Greppi in Angera ein, mit uns noch viele Einheimische. Es sah so aus, als wären wir die einzigen Touristen. Die nette Signora Gnocchi von der Touristeninformation war auch da, festlich gekleidet im Publikum.

Caravaggio, Meister des Chiaroscuro

Der kleine Platz war stimmungsvoll eingetaucht in die milden Farben der untergehenden Sonne, an einer Hauswand das gesprühte Replikat des schönen Bildes von Caravaggio „Knabe mit Früchtekorb“. Caravaggio (1571-1610) gilt als Meister des Chiaroscuro, der Hell-Dunkel-Malerei. Erst später erfuhr ich, dass im März 2016 faschistische Slogans an mehreren Wänden im Zentrum von Angera aufgetaucht waren. Die Gemeinde und die Familie Tedeschi, der nicht nur Weingüter, sondern auch Immobilien, unter anderem in Angera, gehören, beauftragten den Künstler Andrea Ravo Mattoni, die Schmiererei an diesem Platz mit dem berühmten Gemälde von Caravaggio zu übersprühen. „Il Fanciullo di Angera“ (Der Knabe von Angera) ist ein – meiner Meinung nach – gelungenes Kunstwerk.

Zauberhafte Klänge auf der „Flauto dolce“

Akustisch grandios war das Zusammenspiel der beiden professionellen Musiker: Eyal Lerner mit seiner „Flauto dolce“ (Blockflöte) und Nadio Marenco mit seiner fisarmonica (Akkordeon). Zu Beginn ihrer Performance wies Eyal Lerner auf die feinen sprachlichen Nuancen hin, im Italienischen heiße sein Instrument „Flauto dolce“, wörtlich übersetzt „süße Flöte“, im Deutschen jedoch Blockflöte.

Der junge Mann aus Genua konnte mitreißend erzählen, auf Italienisch und Jiddisch. Auch wenn ich kaum etwas verstand, so spürte ich umso mehr seine Energie und Entertainer-Qualitäten. Die große Bandbreite an Musikstücken von Vivaldi, Mozart, Pagananini, Chacaturjan, Bartok, Piazzolla und Ennio Morricone zauberte gefühlvolle, aber auch temperamentvolle Klänge in die Nacht, die sich auf das Publikum übertrugen und mich verzauberten.

1. Video: Das Konzert „Luci ed Ombre“ in Angera zum Nachhören
2. Video: Ein musikalisches Märchen über die Geschichte der Blockflöte von und mit Eyal Lerner 

 

Zwei meiner Lieblingssongs von Ennio Morricone

Die Autorin dankt den Veranstaltern in Angera und den beiden Musikern.

Als Eyal und Nadio dann auch noch eines meiner Lieblingslieder von Ennio Morricone spielten, das „Love Theme“ aus dem wunderbaren Film „Cinema Paradiso“, einer meiner Lieblingsfilme von Giuseppe Tornatore (siehe 1. Video oben ab 17:38), war es um mich geschehen. Ich war ergriffen und tief berührt, weil der Abend so authentisch und nostalgisch war. Alles in dieser lauen, italienischen Sommernacht unweit des Lago Maggiore vereinte sich in diesem einen leisen, sentimentalen Lied. Ähnlich wie dem Hauptdarsteller in „Cinema Paradiso“, dem bei den Kuss-Szenen die Tränen kommen, erging es auch mir.

Pustekuchen!

Zu Hause beim Schreiben kamen mir Zweifel. Ich liebe diese Melodie, war mir aber nicht mehr sicher, ob ich mich nicht getäuscht hatte. Gut, dass ich Eyals E-Mail hatte und nachfragen konnte. Tatsächlich war es ein anderes Lied, auch eines von Ennio Morricone und ebenso eines meiner Lieblingslieder: „Gabriel’s Oboe“ aus dem Film „The Mission“.

„Con i suoni più belli“

Seit Mitte Juli verbindet mich mit dem Lago Maggiore noch mehr: ein Klangerlebnis besonderer Art, das im Rahmen des Festivals „Il Lago Cromatico“ stattfand. Der See hat sich mir in seinen schönsten Klangfarben offenbart – „con i suoni più belli“. Grazie mille, toda raba, Eyal! 🙂

1. Video: Kuss-Szenen aus dem Film „Cinema Paradiso“ mit „Love Theme“ von Ennio Morricone
2. Video: Ausschnitt aus dem Film „The Mission“ mit dem Titel „Gabriel’s Oboe“ von Morricone


Noch bis zum 23. September 2017 findet das Festival “Il Lago Cromatico” mit Konzerten in den zauberhaftesten Locations an der unteren lombardischen Küste des Lago Maggiore statt. Das Programm finden Sie hier.


 

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